Mein Sohn und die Baumnuss


Während ich mit stumpfem Blick in den Bildschirm starre, klopft es an meiner nicht ganz geschlossenen Bürotür und mein Sohn kommt triumphierend hineingetorkelt. In seiner Hand: Eine Baumnuss. Behutsam und Staunend fährt er mit seinen kleinen Fingern über die raue, noch mit kleinen Erdkrümmchen besetzte Oberfläche. Fasziniert beobachtet er, wie die Erdklümpchen sich durch sein Betasten von der Schale lösen und sich anschliessend auf dem Laminatboden verteilen.

Sein jungfräuliches Staunen darüber, Teil eines Kausalzusammenhangs zu sein,mitzuwirken an der Lebensroute der Baumnuss von der Küche in mein Büro, ist schlicht hinreissend. Überwältigt darüber, zu sehen, wie entzückt mein Sohn ist über Gegenstände, die mich nur eines müden Lächelns berauben und welche ich durch meine kalte Sachlichkeit einkategorisiert und „durchleuchtet“ habe, wende ich mich ihm zu und studiere seine Mimik. Da ist ansteckende Frische. Da ist schlichte Freude. Da ist beeindruckende Leidenschaft. Das ist voller Körpereinsatz. Da ist ein Staunen, das ich schon lange verlernt habe. Mit hemmungsloser Begeisterung lässt er das Objekt seiner Freude in meine bereitwillig geöffnete Hand plumpsen. Mit erwartungsvollem Blick mustert er mein Gesicht und wartet darauf, dass ich mich mit ihm der Ekstase des Staunens hingebe. Verzweifelt versuche ich mich für die schlichte Schönheit der Baumnuss zu begeistern und den mir entgegenkommenden Enthusiasmus zu würdigen. Es gelingt mir nur ein wenig und ich muss bestürzt feststellen: Mein Sohn ist mir überlegen.
Wahrlich ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder…
(Matthäus 18,3)

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