Eine Apologie der Apologetik oder wider die Frühdialektik Karl Barths


Im Folgenden soll dargelegt werden, wie sich die Kapazität der natürlichen Vernunft in ihrer Funktion, die Wirklichkeit des christlichen Credos zu plausibilisieren, verhält gegenüber der nicht auf äussere Notwendigkeiten angewiesenen Offenbarung des christlichen Credos. Ist es sinnvoll, die Wahrheit des christlichen Credos anhand universalistisch-logischer Denkprozesse wo weit möglich zu plausibilisieren? Was kann ein solcher Zugang für den Glauben eines Menschen leisten, der selbst im eigentlichen Sinn ein vom göttlichen Wort, oder der göttlichen Idee des personalen Gott-Subjekts, Getroffener sein werden muss? Zunächst bleibt festzustellen, dass das Gnadenwirken des göttlichen Subjekts Teil seiner absoluten Freiheit, in biblischer Terminologie ausgedrückt, Teil seines unergründlichen Ratschlusses ist. Dies bedeutet notwendigerweise, dass die Kraft der menschlichen Logik in diesem Handeln Gottes am Menschen über keinerlei Notwendigkeit verfügt. In dieser Hinsicht sind wir ganz Barthianer. Hier soll aber gegenüber der Absolutheit der barthschen Binnenlogik und seiner über die Stränge schlagenden Zurückweisung der natürlichen Vernunft, deutlich gemacht werden, dass die Kraft der menschlichen Logik auch ausserhalb des Getroffenheitsraumes des Credos für den christlichen Glauben in der öffentlichen Wahrnehmung durchaus Wesentliches leisten kann.

Nun muss natürlich präzisiert werden, was mit „wesentlich“ gemeint ist, da wir ja oben barthianisch festgehalten haben, dass die menschliche Logik, für das Gnadenwalten nichts Notwendiges zu leisten vermag bzw. das göttliche Subjekt in seiner Offenbarung nicht angewiesen ist, auf die Krücken der philosophischen Wirklichkeitsdeutung und ihre potentiellen Annäherung an Inhalte des objektiven Credos. Die menschliche Vernunft, sofern man von einer universalistischen Logik ausgeht und vertraut ist mit der Geschichte des menschlichen Denkens, vermag es tatsächlich, Inhalte des Credos aus eigener Kraft zu postulieren (beispielsweise die Existenz Gottes und seine potentielle Eigenschaften). Diese „eigene Kraft“ wird selbstverständlich der kreatürlichen Welt selbst offenbart, bzw. verliehen, sie wird also nicht kreatürlich erzeugt, sondern ist des transzendenten Logos teilhaftig. Es ist also möglich, sich dem christlichen Glauben mit Hilfe der natürlichen Vernunft, wenn diese sich nicht trotzigen Irrationalitäten preisgibt, den Inhalten des offenbarten Credos und somit Gott selbst, kognitiv anzunähern, die christliche Deutung der Wirklichkeit als der Wirklichkeit auch tatsächlich angemessen zu bezeichnen. Dass sich das göttliche Subjekt nun auch über dieses nach rationalen Deutung verlangenden Subjekt offenbarend zeigt, bedeutet nun noch keine besondere Qualifizierung der natürlichen Vernunft, da sie ja nicht notwendig auf diesem Weg geschehen muss.

Dass das göttliche Subjekt aber, wie viele Berichte bezeugen, auf dem Weg der Ratio in die volle Erkenntnis der Offenbarung lockt, deutet darauf hin, dass es die vollzüglichere Art des Vollzugs ist. Es ist die vollzüglichere Art des Vollzugs, weil dieser Zugang die ganze Tiefe des menschlichen Seins und seines Denkens inkludiert und mit dem offenbarten Credo krönt. Auch wenn die Offenbarung dem Menschen fatalistisch übergestülpt werden kann und das göttliche Subjekt sich das Recht vorenthält so zu handeln, um die Selbstherrlichkeit der Weisen zu geiseln, so ist es doch die vollzüglichere Variante, wenn die auf den Menschen hereinbrechende Offenbarung bereits teilhaftig auf rational gewonnen Boden fällt. Es muss hier mit aller Vehemenz deutlich gemacht werden, dass auch dieser gewonnen Boden der logischen Plausibilität selbst ermöglicht ist durch die natürliche Offenbarung der logischen Struktur unserer Wirklichkeit durch das göttliche Subjekt. Dies ist relevant, weil so der Ursächlichkeit des göttlichen Handelns keine subjektiv-selbstmächtige Ursächlichkeit der Kreatur entgegengesetzt wird. Es gibt aber eine vom göttlichen Objekt dem menschlichen Subjekt verliehene Ursächlichkeit, welche Christen im Gebet voraussetzen. Ansonsten würde das göttliche Subjekt einfach an einem menschlichen Objekt handeln.

Es ist nun klarzustellen, dass es hier nicht darum gehen soll, dem Menschen eine absolute Heilursächlichkeit zusprechen zu wohl aber eine relative Heilsursächlichkeit, deren „inwiefern“ sich im Endpunkt des göttlichen Ratschlusses verbirgt. Was nun vermag die natürliche Vernunft zu leisten? Die natürliche Vernunft ist, ausserhalb des verkündigten Credos, das vorzüglichste, weil zur absoluten Offenbarung hinführende und vorbereitende Mittel des Gnadenhandeln Gottes, welches der Mensch selbst, dank seiner ihm verliehenen subjektiven Heilsursächlichkeit, ergreifen und verfolgen darf. Die Geringschätzung der natürlichen Vernunft wäre demnach eine vernachlässigende Einschränkung der vorausgehenden Gnade, eine unsachgemässe Ablehnung schöpfungstheologischer Strukturen und zeugt nicht zuletzt von einem fatalistischen Desinteresse an der Stabilität und einem unsachgemässen Skeptizismus betreffend der Erkennungsfähigkeit, und im Fluchtpunkt des Logos geschaffenen, menschlichen Denkens. Ist der Platonismus wirklich nicht die bessere, zielführendere, wahrere, der göttlichen Offenbarung eher entsprechende Erkenntnis als der Nihilismus und von daher sinnvoller? Fürwahr, das göttliche Subjekt lässt sich nicht steuern durch die wahren oder weniger wahren Kognitionen menschlicher Urteilskraft. Mit der Möglichkeit der Plausibilisierung der christlichen Wirklichkeitsdeutung aber bewirkt Gott durch denkende, menschliche Subjekte, dass gewisse Grundinhalte des christlichen Credos der universellen Rationalität des Menschen entsprechen.

Es ist das vorzüglichste Mittel der vorausgehenden Gnade (gratia praeveniens), vorzüglich, weil bereits in nuce teilhaftig am göttlichen Logos, der sich schöpferisch und somit auffindbar in der Wirklichkeit manifestiert hat ohne seine Absolutheit aufzugeben. Die natürliche Vernunft, verkündigt Kraft der Logik, Wahrheiten unserer Wirklichkeit. Diese Erkenntnisse unserer Wirklichkeit werden gekrönt und zum Ziel geführt mit den vom menschlichen Subjekt nicht selbst postulierbaren Wahrheiten des christlichen Credos.  Die Plausibilisierung des christlichen Glaubens durch die natürliche Vernunft  ist ein fruchtbarer, weil am göttlichen Logos teilhaftigen, Boden für die gratia praeveniens und eine Bekräftigung des schöpferischen Verhältnisses von Gott und Welt.

2 Responses


  • Anonymous // // Reply

    Credo ut intelligam
    Darauf plädiert Barth in allen seinen Schriften. Persönlich verstehe ich das nicht als Geringschätzung, sondern als Platzverweis. Unser Verstand kann uns nicht zur erkenntnis bringen, alleine der Glaube vermag das, welcher schlussendlich wieder im Verstand mündet.
    Aber sehr spannender und bereichender Beitrag, vielen Dank!

    • Anonymous // // Reply

      Vielen Dank! Ja, der Kommentar soll keine grundsätzliche Kritik an Barth darstellen. Ich bin Barth sehr zugeneigt und ihm näher als den meisten anderen Theologen der Neuzeit. Habe den Kommentar in Auseinandersetzung mit Barths “Fides quaerens intellectum” verfasst, das ich inhaltlich fast unbestechlich finde. Fast, das heisst, bis auf diesen Punkt, den ich im Text anspreche. Ich gehe einfach etwas mehr in Richtung Brunner und wollte aufzeigen, dass Apologetik seinen Platz hat und wichtige Aufgaben erfüllen kann.

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