Vorsichtig fragte sich Karlheinz, wie es wohl sein werde, wenn er vermummt wie einst, in See stechen würde. Ein Bild; Welch Leidenschaft! In seinen pompösen Vorstellungen der ewigen See und der hartnäckigen Sehnsucht, die er immer schon zu stillen suchte, wurde er jäh unterbrochen als seine Augen zufällig über das Verfallsdatum seines Heidelbeerjoghurts streiften, das er sich eher unbewusst in den Rachen schaufelte. Noch nicht abgelaufen!
Karlheinz konnte sich nicht erinnern, wenn so etwas zuletzt geschehen war. Er muss gerade erst eingekauft haben! Seine Gedanken schweiften zurück in die vergangene Woche um das noch relativ frische Joghurt zu erklären. Er vermochte sich aber keinen Reim darauf zu machen und so zerflossen seine kognitiven Anstrengungen im Nirgendwo. Eigentlich hatte er auch gar keine Lust zu denken! Denken war anstrengend und er hatte nun wirklich genug um die Ohren. Zweimal in der Woche musste er die Friedhofshecken stutzen und das reichte ihm! Es war ausreichend um seine Trägheit und offensichtliche Faulheit, die ihm selbst durchaus bewusst war, zumindest im Ansatz zu entschuldigen. Viel war nicht mehr vorhanden von seiner einstigen Lebenslust und seinem Wissenshunger. Er las wohl täglich den „Brückauer Rundumschlag“, aber bis auf die Todesanzeigen interessierte ihn wenig. Er las zwar manchmal die lokalen Seiten um am Freitagabend im „Braunen Schilfrohr“ auch seinen Senf dazugeben zu können, aber eben – das war eine reine Alibiübung um beim allwöchentlichen „Stammtischtheater“ seine Rolle einzunehmen. Überhaupt war alles was er so machte ein riesen Theater und die Leute, die er kannte und traf, schienen ihm wie lebende Hülsen, deren Persönlichkeitskerne schon lange in unbekannte Auen entschwunden waren. Fern von Freiheit und weit weg davon, was ihm seine Sehnsucht noch verborgen über das LEBEN flüsterte. Er war ja auch nicht besser! Sein Lebensmut, seine einstige Suche nach Wahrheit und seine Frische begraben unter einer zähen Schicht von unbefriedigender Lebensgenügsamkeit, Trägheit, Faulheit und einer zynischen Hass-Liebe gegenüber seiner eigenen Daseinsresignation. Was sollte er nur tun?
Karlheinz kratze seine Innenschenkel, die ihn in Folge eines Ausschlages mit einem mühsamen Juckreiz plagten. Konnte es nicht sein, dass Schmerz bei ihm in einer viel grösseren Heftigkeit vorhanden war, als bei allen anderen? Schmerz sei etwas durchweg subjektives, hatte er einmal irgendwo aufgeschnappt. Warum wollte er eigentlich immer der Held sein? Seine Gedanken wanderten zurück in die Tage, an welchen er Samstags immer geangelt hatte. In der Küche sitzend und sich an den Schenkeln kratzend, liess Karlheinz den glorreichen Tag Revue passieren, als er einen riesigen Zackenbarsch gefangen hatte und seinen Angelkumpanen ihm auf dem Deck des Fischkutters höflich applaudierten. Als die Frau des Kapitäns nur wenig später einen noch grösseren Barsch aus den Wellen zog, troff der Neid bei Karlheinz. Warum mussten die Leute nur immer sein Licht ausblasen um ihr eigenes leuchten zu lassen? Verdrossen schleifte er sich in Richtung Badezimmer, da seine Beine nun durch sein gedankenverlorenes Kratzen merklich angeschwollen waren. Er musste seine Warzencreme ausfindig machen!
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